Hauptanwendungsfall der Volksverhetzung sei zwar der Schutz von Minderheiten. Nach Sinn und Zweck der Regelung werde aber auch die Menschenwürde von Frauen geschützt, entschied nun das OLG Köln.
Die Volksverhetzung, geregelt in § 130 Strafgesetzbuch (StGB), schützt auch vor einer pauschalen Verunglimpfung von Frauen. Das entschied das Oberlandesgericht Köln (OLG) kürzlich und hob damit einen Freispruch durch das Landgericht (LG) Bonn auf.
"Menschen zweiter Klasse", "minderwertige Menschen" und "den Tieren näherstehend" – so bezeichnete ein Mann auf seiner Internetseite Frauen in zahlreichen Beiträgen. Das Amtsgericht (AG) Bonn verurteilte ihn dafür zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen. Das LG Bonn sprach den Mann aber wieder frei. Argument: Die Volksverhetzung schütze nur Gruppen, die durch ihre politische und weltanschauliche Überzeugung oder ihre sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, ihren Beruf oder ihre soziale Funktion erkennbar seien. Das Merkmal Geschlecht sei aber nicht erfasst und historisch auch gerade nicht zu schützen beabsichtigt gewesen.
Volksverhetzung als allgemeiner "Anti-Diskriminierungstatbestand"
Diesen Freispruch hob das OLG nun auf. Zu den durch § 130 StGB geschützten Teilen der Bevölkerung würden nämlich auch Frauen gehören. Zwar seien Frauen in Deutschland statistisch die Mehrheit der Bevölkerung. Aus der Vorschrift ergebe sich aber gerade nicht, dass sie nur dem Minderheitenschutz diene. Vielmehr könne die Rechtsanwendung kaum von Zufälligkeiten wie der Mehrheitsbildung abhängen. Außerdem könnten auch Mehrheiten diskriminiert werden.
Auch die historische Entwicklung des Tatbestandes zeige, dass er sich immer weiter hin zum umfassenden "Anti-Diskriminierungstatbestand" entwickelt habe, so das Gericht. Geschützt werden nach Auffassung der Kölner Richter daher längst nicht mehr nur die Teile der Bevölkerung, die unter die ausdrücklich genannten Merkmale fielen. Der Hauptanwendungsbereich der Volksverhetzung möge zwar immer noch rechtsradikale Hetze gegen Minderheiten sein, diskriminierende Äußerungen gegen Frauen seien aber ebenfalls erfasst.
Der Mann habe, so das OLG, Frauen unter Missachtung des Gleichheitssatzes als "unterwertig" dargestellt und sie dabei auch in ihrer Menschenwürde angegriffen. Es sei daher davon auszugehen, dass er den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt hat.
Das OLG hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des LG Bonn zurückverwiesen.
ast/LTO-Redaktion
OLG Köln: . In: Legal Tribune Online, 15.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41899 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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